Maria
Maria war noch ganz klein, als sie von ihren Eltern in den
Tempel gebracht wurde, wo ihre Eltern sie Gott weihten. Das Mädchen hatte
dunkle schön glänzende lockige Haare und große braune Augen mit denen sie
neugierig in die Welt schaute. Sie wollte alles genau wissen und interessierte
sich schon früh dafür, was um sie herum passierte und wie Gott sich um ihr Volk
kümmerte. Maria war Israelitin und gehörte zu dem Volk, das von Gott auserwählt
wurde. Jahrhunderte vorher hatte Gott den Abraham berufen und ihn in ein
verheißenes Land geführt. Abraham bekam Kinder und Enkel, die ihrerseits wieder
Kinder und Enkel bekamen. Und Maria war eine Nachfahrin von Abraham und zählte
deshalb zum Volk Israel.
Darum unterrichtete man sie von klein auf in dem, was Gott
mit ihren Vorfahren getan und wie Gott das Volk in all den Jahrhunderten
geleitet hatte. Sie erfuhr auch bald davon, dass ihr ganzes Volk auf den
Messias wartete. Sobald sie davon hörte, bekam sie eine große Sehnsucht nach
dem Messias. „Wann kommt der Messias?“, fragte Maria ihre Mutter. Anna lachte
über ihre kindlichen Fragen, aber sie nahm ihre Tochter auch sehr ernst.
Deshalb antwortete sie ihr: „Maria, wir wissen leider nicht, wann der Messias
genau kommt. Aber wir sind alle sicher, dass seine Ankunft unmittelbar
bevorsteht. Bestimmt kommt er bald!“
Anna gab damit das Wissen an ihre Tochter weiter, das sie
selbst besaß. Alle Israeliten glaubten an die baldige Ankunft des Messias. Für
Anna war es wichtig, ihrer Tochter frühzeitig den Glauben an Gott zu
vermitteln. Trotzdem wollte sie auch, dass Maria spielte und sich so richtig
austobte. Sie musste sowieso von klein auf mit anpacken und mithelfen. Damals
konnten Kinder nur selten spielen. Sie arbeiteten genauso wie die Erwachsenen.
Manche Kinder sogar viel mehr. Doch die Eltern von Maria achteten darauf, dass
sich ihre Tochter nicht überanstrengte. Maria war das lang ersehnte Wunschkind
von Joachim und Anna. Deshalb wachten sie über sie und ließen nichts auf sie
kommen. Maria war ihr Augenstern. Darum hatte Maria auch immer wieder Zeit, um
mit anderen Kindern aus dem Dorf zusammen am Bach zu spielen, Steine zu
sammeln, sich zu verstecken, oder die Römer zu nachzumachen, die immer wieder
im Dorf herumlungerten. Das gehörte zu ihren Lieblingsspielen. Wann immer sie
Zeit hatte, suchte sie ihre Freundin Rahel und gemeinsam versteckten sie sich
im Schatten eines Hauses um von dort aus, die Römer zu beobachten. Sie ahmten
deren Sprache, ihre Gesten und ihr Auftreten nach. Dabei lachten sie sich dann
aus vollem Herzen kaputt. Die Römer waren diejenigen, die das jüdische Volk
unterdrückten. Deshalb fanden es die Kinder befreiend, wenn sie sich über die
Römer lustig machen konnten. Erwischen durften sie sich dabei natürlich nicht
lassen. Aber genau das machte den Reiz des Spiels aus.
So wuchs Maria behütet und beschützt langsam zu einer jungen
Frau heran. Dann musste sie schon in jungen Jahren einen Schicksalsschlag
hinnehmen: Ihr geliebter Vater wurde schwer krank. Er musste lange das Bett
hüten und konnte nicht mehr aufstehen. Eines Tages lag er tot im Bett. Maria
war sehr traurig. Noch trauriger war natürlich Anna, ihre Mutter. Doch das
Leben ging weiter.
Maria entwickelte sich zu einem hübschen jungen Mädchen und
Anna machte sich Gedanken über die Zukunft ihrer Tochter. Sie sagte sich:
„Langsam wird es Zeit, dass wieder ein Mann ins Haus kommt. Am besten wird
sein, wenn Maria heiratet.“ Damals heirateten die jungen Frauen früh. Anna
fragte im Bekanntenkreis und hörte von Josef. Sie hätte ihn sich gut als
Schwiegersohn vorstellen können. Anna fädelte noch die Verlobung von Maria und
Josef ein. Doch dann wurde auch sie krank und starb.
So waren Maria und Josef schließlich verlobt, aber noch nicht
verheiratet. Mit der Heirat wollten sie sich noch ein wenig Zeit lassen.
Immerhin war Marias Mutter erst gestorben. Maria trauerte um ihre Mutter. Jetzt
war sie Vollwaise. Josef tröstete sie: „Du hast doch jetzt mich“. Trotzdem zog
sich Maria manchmal ganz alleine zurück und weinte ein Taschentuch nach dem
anderen voll. Einfach, weil sie sich ganz alleine gelassen fühlte. Sie war ja
noch so jung und so alleine. Doch es tat ihr gut, dass Josef da war. Eines
Tages als sie gerade ihr Heim gründlich sauber machte und sie mit dem Besen in
alle Ecken fuhr, da war es plötzlich ganz hell in ihrer düsteren Hütte. Maria
sah irritiert auf und stand einem Wesen gegenüber, wie sie noch nie eines
gesehen hatte. Die Gestalt war hell wie Sonnenlicht, hatte Flügel und ein
strahlendes Gesicht. Maria konnte gar nicht richtig hinschauen, so sehr fühlte
sie sich geblendet. Obwohl sie das Wesen noch nie vorher gesehen hatte, wusste
sie sofort, dass sie einen Engel vor sich hatte. Diese Annahme wurde auch
gleich bestätigt, als der Engel mit ihr sprach:
„Gegrüßet seist du, Maria! Der HERR ist mit dir, du Gesegnete
unter den Frauen!“ Jetzt bekam es Maria doch ein wenig mit der Angst zu tun.
„Was redete der denn da?“ Sie verstand das nicht, schließlich war sie nicht
gesegnet, sondern nur ein einfaches Mädchen. „Maria, ich bin der Engel
Gabriel“, stellte sich der Engel vor. „Ich habe einen Auftrag für dich.“
„Wie, einen Auftrag?“ Maria war nun doch sehr überrascht.
„Du sollst ein Baby bekommen.“
Schön, dachte Maria. Ich werde heiraten, aber das weiß ich
schon. Der Engel sah, dass sie ihn nicht verstand.
„Du sollst ein Baby bekommen.“, wiederholte er noch einmal.
„Du meinst…obwohl ich nicht verheiratet bin?“, fragte Maria
erstaunt.
Der Engel nickte. „Jetzt hast du verstanden.“
Maria schaute ihn ungläubig an. Ihre schwarzen Augen wurden
kugelrund und noch größer. „Wie soll das denn funktionieren?“
„Gott selbst wird dafür sorgen. Es ist ein Wunder!“, verriet
ihr der Engel.
Maria verstand auf einmal, dass Gott selbst einen besonderen
Auftrag für sie hat. Da wurde ihr ganz warm und leicht ums Herz. Sie nickte heftig.
„Doch ja, das will ich tun. Ich bin eine Magd des Herrn. Mir
geschehe nach deinen Worten.“, erklärte sie dem Engel.
Gabriel hatte seinen Auftrag erledigt und verließ sie wieder.
Als der Engel weg und Maria wieder allein war, wurde ihr
langsam klar, dass eine unglaubliche Aufgabe vor ihr lag. Das begann schon
damit, dass sie Josef vom Auftrag des Engels erzählen musste.
Obwohl Josef ein sehr sympathischer und verständnisvoller
junger Mann war, reagierte er alles andere als verständnisvoll, als Maria ihm
von ihrer Schwangerschaft erzählte. „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen!“,
war noch die harmloseste Anschuldigung, die er Maria entgegenschleuderte. Josef
glaubte nämlich, dass sich Maria mit einem anderen Mann eingelassen hätte.
Marias Beteuerungen nahm er überhaupt nicht zur Kenntnis. Er glaubte ihr
einfach nicht. Stattdessen ließ er sie einfach alleine und verschwand, ohne
sich zu verabschieden. Doch der Engel Gabriel hatte die Aufgabe, auch mit Josef
zu reden. Deshalb erschien er auch ihm und erklärte ihm Marias Auftrag.
Dem Engel glaubte er schließlich. Deshalb kehrte Josef wieder
zu Maria zurück. Maria war natürlich überglücklich, obwohl sie die Zwischenzeit
gut genutzt hatte. Als Josef grußlos aus dem Haus gestürmt war, hatte Maria
beschlossen, ihre Cousine Elisabeth zu besuchen. Denn sie hatte Lust, jemand
von ihrer Schwangerschaft zu erzählen und Elisabeth war eine Verwandte ihrer
Mutter. Deshalb machte sie sich auf den Weg zu ihrer Verwandten. Elisabeth war
ebenfalls schwanger. Als sie Maria kommen sah, fing Elisabeths Baby in ihrem
Bauch das Strampeln an und Elisabeth wusste, dass mit Maria etwas Besonderes
los war. Das sagte sie auch gleich und grüßte Maria mit einem besonderen Gruß.
Doch Maria blieb bescheiden, war sie doch trotz allem nur ein
unbedeutendes Mädchen. Immerhin hatte sich sogar ihr Verlobter von ihr
abgewandt. Elisabeth tröstete ihre Cousine. Die beiden Frauen verstanden sich
prächtig und als Maria nach längerer Zeit wieder zurückkehrte, stand
tatsächlich Josef wieder vor ihrer Tür. Jetzt ahnte sie bereits, dass alles gut
werden würde.
Als Marias Schwangerschaft im fortgeschrittenen Stadium
angekommen war, beschloss der Kaiser in Rom, das jüdische Volk zu zählen.
Deshalb schickte er Herolde aus. Diese Römer standen an allen Ecken und riefen
mit lauter Stimme: „Alle Menschen müssen in den Ort zurückkehren, in dem sie
geboren wurden und sich dort in eine Liste eintragen lassen. Das ist notwendig,
damit der Kaiser weiß, wie viele Menschen zu seinem Reich gehören.“ Für Maria
und Josef bedeutete dies, dass sie zu einer beschwerlichen Reise aufbrechen
würden, da sie sich in Bethlehem in die Liste eintragen lassen mussten. Josef
musterte besorgt Marias Bauch. „Das gefällt mir gar nicht.“, murmelte er vor
sich hin. Doch Maria wehrte lachend ab. „Ich bekomme ein Baby, deshalb bin ich
doch nicht krank.“ Sie fühlte sich gesund und kräftig und hatte keine Angst
davor, mit einem Baby im Bauch zu verreisen.
Trotzdem wurde es eine sehr beschwerliche Reise nach
Bethlehem. Dort angekommen, wollte Maria eigentlich nur noch schlafen. Doch
leider gab es keine einzige freie Herberge. Stattdessen schickte sie der
Herbergswirt in einen Stall. Maria war so fertig, dass es ihr schon egal
gewesen wäre. Allerdings setzten in dieser Nacht die Wehen ein. Maria bekam ihr
Baby. Jesus Christus kam in dieser besonderen Nacht auf die Welt. Maria durfte
ihr ganz persönliches Wunder im Arm halten und dazu das ganz besondere Wunder für
die gesamte Welt. Denn Jesus Christus war zwar ihr Kind, doch Jesus Christus
war auch der Sohn Gottes. Deshalb haben wir alle etwas von dieser ganz
außerordentlichen Geburt.
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