Jan ist ein süßes Kleinkind mit Pausbäckchen, Grübchen in
den Wangen und einem dreieckigen Kinn. Mit seinen knuffigen Patschhändchen
langt er nach seiner Tasse. Er verfehlt sie knapp, der Plastikbecher rutscht
von der Kante und das Wasser ergießt sich über Jan. Der kleine Kerl erschrickt,
schnappt nach Luft und fängt sofort empört das Schreien an.
Die Mama rennt herbei, nimmt ihr Baby auf und tröstet es.
„Ist nicht schlimm, ist ja nur Wasser!“
Doch Jan findet es schlimm. „Wasser böse!“, protestiert er
lautstark. „Nein“, widerspricht die Mama. „Das Wasser ist nicht böse. Du hast
die Tasse umgestoßen. Aber es ist ja nichts passiert.“
Allmählich beruhigt sich Jan wieder. Die Mama setzt ihn auf
den Boden. Dort robbt er zu seiner Spielkiste. Bevor er nach seinem
Lieblingsspielzeug greifen kann, rutscht er aus und schlägt mit dem Kopf auf
die Kante der Spielkiste. Noch ehe Jan begreift was passiert ist, läuft eine
klebrige, rote Flüssigkeit über seine Stirn in seine Augen. Zur Vorsicht brüllt
Jan aus Leibeskräften. Er kennt das ja nicht. Der Schmerz wäre noch zu
ertragen, aber dieses rote Zeugs soll sofort verschwinden.
Besorgt kommt die Mama an. Sie hat einen nassen Waschlappen
dabei und tupft ihm vorsichtig die rote Flüssigkeit aus dem Gesicht. Dann legt
sie ihm einen anderen Waschlappen auf die Stirn. „Damit du keine Beule
bekommst“, erklärt sie ihm.
Aber Jan hört sie kaum, denn er ist immer noch mit Schreien
beschäftigt. Nach einer Weile wird das langweilig und er hört damit auf.
Zeit wieder auf Erkundungstour zu gehen. Diesmal entschließt
er sich, ein paar Schritte zu laufen. Das hat er gerade erst gelernt. Deshalb
probiert er es wieder. Er hält sich am
Tisch fest und läuft darum herum. Das macht Spaß. Er läuft wieder herum und
noch einmal. Dann wird er langsam mutig. Er lässt den Tisch los und tappst auf
unsicheren Beinchen durch das Zimmer. Ein Schritt, noch einer und noch einer.
Dann plumps, sitzt er auf seinem Hintern. Das dicke Windelpaket sorgt dafür,
dass er weich fällt. Trotzdem fängt Jan an zu schreien, als wäre er aus zehn
Metern Höhe auf hartes Pflaster gefallen. Diesmal tröstet ihn die Mutter nicht.
„Stell dich nicht so an.“, meint sie nur. „Wer fällt, muss auch wieder
aufstehen!“
Für Jan ist das ein Grund noch mehr zu schreien. Er schreit
und schreit. Dabei bleibt er auf dem Boden liegen. Aufstehen will er auch
nicht. Er schreit solange bis er eingeschlafen ist.
Im Traum steht auf einmal eine Puppe vor ihm,
die ein Kleid aus lauter Lappen trägt. „Wer bist du denn?“, fragt Jan verwundert.
„Ich bin der Jammerlappen“, antwortet die Puppe.
„Komischer Name“, sagt Jan und reibt mürrisch seine Nase,
die ihm jetzt weh tut, weil er darauf liegt. Er schaut sich die Puppe genauer
an. Sie hat ein wirklich sonderbares Kleid an. So ein Kleid hat Jan noch nie
gesehen. Die einzelnen Teile sehen aus wie Spüllappen. Solche Lappen kennt Jan
schon, weil die Mama sie zum Spülen verwendet. „Ja schau mich nur an“, sagt der
Jammerlappen. „Immer wenn du jammerst und schreist, bekomme ich einen neuen
Lappen. Aber der ist nicht schön, sondern nass und voller Tränen.“ „Wieso denn
das?“, wunderte sich Jan. „Na, einer muss doch deine Tränen aufsaugen, sonst
sind die überall und irgendjemand könnte in den Pfützen ausrutschen.“ Das
leuchtete Jan ein. „Ach so.“, sagte er bloß. „Du schaust wirklich komisch
aus.“, stellte Jan fest.
„Dann tu was
dagegen.“, forderte ihn der Jammerlappen auf. „Aber was?“, Jan fing an zu
heulen. „Ich bin doch nur ein kleines Baby, das gar nichts tun kann.“
„Doch“, widerspricht ihm da der Jammerlappen. „Du kannst mit
deinem Geschrei aufhören. Schreien nützt niemanden was. Es macht nur traurig.
Deshalb sei lieber fröhlich. Dadurch wird mein Kleid wieder schön.“ „Ehrlich?“,
wundert sich Jan. „Ehrlich!“, bekräftigt da der Jammerlappen.
Wenig später
wacht Jan auf, seine Puppe hält er im Arm. Das Jammerkleid war verschwunden,
stattdessen hat die Puppe ein wunderschönes Kleid an, noch ein wenig nass von
Jans Tränen aber trotzdem wunderschön und keinesfalls aus Lumpen. Nein, stellt
Jan da fest, einen Jammerlappen braucht wirklich niemand.
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