Eine Gans erzählt die Martinsgeschichte
Ich bin nur eine Gans und alle Leute sagen immer: „Du dumme
Gans“. Vielleicht haben sie Recht. Dafür bin ich allerdings wunderschön. Ich
habe weiße Federn und einen schönen Hals. Mit meinem Schnabel kann ich
richtig Krach machen. Denn ich liebe es, zu schnattern und unliebsame Lebewesen
zu verscheuchen. So wie den Fuchs, der sich manchmal heranschleicht und sich
einen von uns holen will. Aber bei uns kommt er nicht weit. Wir schnattern
nämlich solange bis der Bauer kommt und den Fuchs vertreibt. Das ist eigentlich
ganz schön schlau von uns. Trotzdem denken manche Leute, wir Gänse wären dumm.
Menschen
sind im Gegensatz zu uns ziemlich intelligent. Darum denke ich, dass sie schon wissen, was sie
sagen. Denn wieso sollten sie etwas behaupten, wenn das dann nicht stimmt. Wir
Gänse sind halt dumm.
Genauso wie an diesem einen Tag, an dem plötzlich ein
wildfremder Mann zu mir und meinen Geschwistern in den Stall kam. Er war fremd. Wir kannten ihn nicht.
Wir merkten aber schnell, dass er Angst hatte. Deshalb versteckte er sich hinter einem hohen Holzstapel. Wir haben ihn aber trotzdem gesehen.
Wir merkten aber schnell, dass er Angst hatte. Deshalb versteckte er sich hinter einem hohen Holzstapel. Wir haben ihn aber trotzdem gesehen.
Zwei meiner Schwestern meinten: „Das geht
nicht, dass da ein fremder Mann ist.“
Meine Brüder gackerten: „Nur die Ruhe,
nur die Ruhe“.
Und ich gab auch noch meinen Senf dazu: „Ich hab Angst vor
diesem Mann.“
Da fiel einer meiner Schwestern etwas ein: „Vor kurzem hat der
Bauer von einem Mann erzählt. Der heißt Martin. Weil er zu allen Menschen
freundlich ist und sogar den Armen hilft, soll er Bischof werden. Aber alle
sagen, dass er das nicht will. Ich glaube, dass das dieser Mann ist. Er will kein
Bischof werden. Niemals. Deshalb versteckt er sich jetzt sogar bei uns.
Vielleicht will er ja lieber eine Gans werden, anstatt in einem Bischofspalast
zu leben und teure Gewänder zu tragen.“
„Du bist doof,“ schnatterten meine
Brüder. „Dieser Martin ist bestimmt froh, wenn er nicht mehr bei uns wohnen
muss. Dann darf er nämlich nach Tours ziehen. Dort ist es viel schöner, als bei
uns.“
Eine Weile haben wir glatt
vergessen, weiter zu schnattern. Stattdessen glotzten wir den Mann ganz
neugierig an. Wie ein künftiger Bischof hat er nicht ausgeschaut. Eher wie ein
einfacher Mensch. Er war auch ganz normal angezogen. Kein Prunk, kein Schmuck,
nichts Besonderes. Er hätte auch ein Bauer sein können. Dann sahen wir etwas
Merkwürdiges.
Er faltete seine Hände. So als ob er beten wollte. Er sagte
ungefähr folgendes: „Ich will kein Bischof werden. Mir bedeutet dieses Amt
nichts. Viel lieber will ich armen Menschen helfen. Das gefällt mir viel
besser. Ich will sie unterstützen und für sie da sein.“
Als dieser Mann das sagte, fühlte ich mich traurig. Denn
eigentlich, so dachte ich mit meinem viel zu kleinen Gänseverstand, kann er
doch viel mehr Menschen helfen, wenn er Bischof ist.
Weil ich eine dumme Gans
bin, sagte ich das sofort zu meinen Geschwistern. Sie fanden das auch. Und weil
wir uns einig waren, schnatterten wir ganz laut durcheinander. Wir dachten uns
gar nichts dabei. Wir waren nur so aufgeregt. Und weil wir so aufgeregt waren,
schnatterten wir immer lauter.
So laut, dass uns der Bauer hörte. Der wollte
eigentlich nur nachschauen, ob der Fuchs schon wieder in unseren Stall
eingebrochen war. Dabei fand er Martin. Schnell steckte er seinen Kopf aus
unserem Stall und rief den anderen zu, die Martin gesucht hatten: „Hier ist er,
kommt schnell her. Hier ist der Martin.“ Dann drängten sich viele Menschen aus
unserem Ort in unseren Stall. Sie nahmen Martin in ihre Mitte und redeten ihm
gut zu. Denn sie wollten unbedingt, dass er Bischof werden sollte.
Ich habe
gehört, dass sie ihren Willen durchgesetzt haben. Martin wurde Bischof von
Tours. Und dann habe ich noch gehört, dass er ein sehr guter Bischof geworden
ist. Ich finde das gut, aber ich bin ja auch nur eine dumme Gans.
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