Lea ging gerne mit ihrer Oma auf den Spielplatz. Sie hatte
eine coole Oma. Und die war auch noch nicht alt. Also jedenfalls nicht ganz
alt. Sie sah auf gar keinen Fall so aus wie frühere Omas, nämlich die Omas mit
Dutt. Aber den tragen Omas eigentlich sowieso schon lange nicht mehr. Sie sah
auch nicht so aus wie die Omas mit Dauerwelle. Doch auch diese Omas sind schon
uralte Omas. Leas Oma trug eine flotte Kurzhaarfrisur, mit Strähnchen. Lea
wusste nicht, ob die Oma mogelte und doch schon grau war. Die Oma selbst
bezeichnete sich als „naturblond“. Falten
hatte sie auch keine, aber dafür viel Farbe im Gesicht. Sie schminkte sich
leidenschaftlich und ging nie ungeschminkt aus dem Haus.
Lea war stolz auf ihre Oma. Auf dem Spielplatz blieb sie
auch nicht einfach auf der Bank sitzen, so wie die anderen Omas, die dort ab
und zu mit ihren Enkelkindern auftauchten und immerzu aus sicherem Abstand ihre
Kommentare abgaben: „Max komm sofort wieder runter. Wenn du so hoch kletterst…
ich kann dir nicht helfen!“ Dabei saßen sie auf der Bank wie festgewurzelt,
bedeckten die Augen mit der flachen Hand, um sie gegen die blendende Sonne zu
schützen und ihren Enkel genauer beobachten zu können, der da munter wie ein
kleines Äffchen auf dem Gerät, das aussah wie ein überdimensionales Spinnennetz
bis ganz nach oben turnte.
Nein Leas Oma wäre am
liebsten selbst mit geklettert. Wenn sie da nicht die missbilligenden Blicke gespürt
hätte, die Frau Meier von nebenan in ihren Rücken bohrte. Deshalb begnügte sie
sich unten stehen zu bleiben und Lea einfach zuzuschauen.
Im Sommer, wenn die Wasserspielanlage in Betrieb war, hatte
es nicht nur Lea großen Spaß gemacht mit bloßen Füßen durch das Wasser zu
stampfen. Auch die Oma schlüpfte aus ihren Sandalen und badete ihre Füße im
Matsch.
Jetzt im Herbst ging das natürlich nicht mehr. Das
wechselhafte und kalte Wetter ließ aus dem Spielplatzbesuch eine Stippvisite
werden. Drinnen kuschelte sich Lea in eine warme Decke. Die Oma kochte ihr
einen heißen Kakao, genauso wie es die Omas schon immer gemacht haben. Nur mit
selbstgebackenen Plätzchen konnte sie nicht dienen. Während ganze Generationen
von Omas für die gesamte Familie und Verwandtschaft Plätzchen gebacken haben,
fiel Leas Oma hier völlig aus dem Rahmen. Denn es gibt sie ja noch immer: Die
Omas, die ihre Familienehre darin sehen, zumindest an Weihnachten die besten
Plätzchen zu servieren. Das ließ Leas Oma völlig kalt.
Da setzte sie sich
lieber mit ihrer Enkelin auf die Couch und las ihr Weihnachtsgeschichten vor. „Plätzchen
machen sowieso nur dick“, murmelte sie dabei vor sich hin. Doch schließlich
zauberte sie noch ein paar Lebkuchen hervor. „Na ja“, meinte sie, „selbstgebacken
sind sie nicht“, schmunzelnd fügte sie hinzu: „aber selbst gekauft“. So war Leas Oma – und Lea liebte sie dafür.
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